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Ist Peinlichkeit weiblich?

Durchforstet man Facebook nach Fragen nach peinlichen Situationen, wird sofort klar: Es kommt auf die Fragestellung oder Eingrenzung an.

„Was war der peinlichste Augenblick deines Lebens?“ oder „Was ist das Peinlichste, das dir je passiert ist?“ lockt Peinlichkeiten aus allen Lebensbereichen heraus. Amüsant, aber nicht weiter aufregend.

 

Interessant wird es bei der Frage: „Was ist das Peinlichste, das du für die Liebe getan hast?“ Klar, das Thema Liebe ist immer interessant, aber es sind da doch einige Auffälligkeiten, die durchaus erwähnenswert sind:

 

1.      Wer auf fb postet, weiß, dass es schwierig ist, eine ernsthafte Diskussion vom Zaun zu brechen. Oft hängt es vom ersten Kommentar ab, wie die Diskussion ernsthaft weiter geht, oft geht mit einem albernen Kommentar die restliche Diskussion den Bach runter. Muss man einfach in Kauf nehmen.

In diesem Fall aber: nur ernsthafte Kommentare, nichts Albernes, nichts Ironisches, nichts Provozierendes…. Was sogar beim Thema Liebe erstaunlich ist….

2.      Es kommentieren fast nur Frauen. Frauen, die – wenn man einen roten Faden finden will – auf Männer hereingefallen sind. Kaum Männer, die auf Frauen hereingefallen sind, die gibt s auch, aber die gehen in der Masse der geschädigten Frauen unter.

 

Und es geht – erstaunlich oder nicht – fast Kommentar für Kommentar um dasselbe Eingeständnis: einem Mann vertraut und sich selbst aufgegeben zu haben…Ergebnis: Enttäuschung!

„Alles aufgegeben, ein komplettes Leben ( ....... ) zurückgelassen und blind vertraut.“

„Ihm hinterhergelaufen, blind vertraut, alles umgekrempelt.“

„Vertraut, gekämpft und mich selbst verloren. NIE WIEDER!!!!“

„Mich selbst verloren.“

„ich hab mich selbst verraten.“

„Mich selbst für Mist hergegeben, für den ich mir heute viel zu schade wäre.“

„Blind vertraut, alles geopfert, alles aufgeben, neu gestartet und dann verlassen worden.“

„Mich komplett selbst aufgegeben, nach der Trennung musste ich erst wieder lernen selbstständig zu sein.“

Und immer wieder: „Vertraut“, „Blind vertraut“, „Vertraut und geglaubt…“

Eine Enttäuschte fasst zusammen: „Ich habe alles aufgegeben und blind vertraut und habe ihm noch einmal eine Chance gegeben, obwohl ich wusste, dass er sich nicht ändert und mich weiter anlügt.....NIE WIEDER werde ich blind vertrauen und mich selbst aufgeben......es ist verschenkte Lebenszeit...“

 

Ganz vereinzelt kommentieren auch Männer, die vertraut und geglaubt haben….

 

Trotz dieser signifikanten Verteilung will ich mal den Unterschied beiseitelassen:

Vertrauen wir zu sehr, zu schnell, zu viel? Sind wir zu sehr versucht, dem anderen zu glauben? ` Lassen wir uns trotz Enttäuschung noch immer dazu hinreißen, es noch einmal zu versuchen – trotz Wissen, dass es nicht anders werden wird?

Angesichts der Anzahl der Kommentierenden muss man sagen: Ja, so ist es?

Und die entscheidende Frage: Warum ist das so?

 

Jeder Mensch will – schon als Kind und ein Leben lang – geliebt werden. In einer (sich anbahnenden oder schon bestehenden) Beziehung werden wir daher die Anzeichen, die für Liebe sprechen, sammeln bis zur Süchtigkeit. Und die taghellen Anzeichen dafür, dass dem nicht so ist, dass das mit Liebe nicht das Geringste zu tun hat, werden wir übersehen, verdrängen, entschuldigen, schönreden… Und wir werden alles tun, um doch geliebt zu werden.

 

Das allerdings ist ein „aufgelegter Elfmeter“ für Menschen, die manipulieren, konditionieren und die dadurch entstehende Macht missbrauchen. Daraus entsteht eine Abhängigkeit, die blind macht für die Realität. Und die die einzige rationale Reaktion, nämlich eine Trennung so schnell wie nur möglich, erschwert bis unmöglich macht. Oder manche versuchen es nach einer Trennung noch einmal oder immer wieder – weil sie es gar nicht glauben können, dass da zwar vieles, aber nicht Liebe im Spiel war.

Dazu kommt oft, sich selbst als eigenständige Person aus Liebe aufzugeben und dem anderen unterzuordnen. Das ist eine Einladung zum Machtmissbrauch! Es muss auch klar sein: Das ist auch nicht Liebe. Da wäre die eigene Einstellung zu überprüfen. Liebe ist nicht Unterwerfung, sondern Beziehung auf Augenhöhe. Das sich Aufgeben wird immer vom anderen gefördert und macht die ohnehin schiefe Ebene noch schiefer.

 

Was tun?

Es ist leicht, auf toxische Männlichkeit (oder Weiblichkeit, aber es kommentierten mehrheitlich enttäuschte Frauen) hereinzufallen. Es ist sehr schwierig, aus so einer Beziehung wieder herauszukommen. Ohne freundschaftliche oder professionelle Hilfe ist es wahrscheinlich kaum möglich.

 

Was man tun kann: Das eigene Beziehungsmuster durchleuchten – denn das wird sich wiederholen. Dabei ist von der Beziehung zum Vater (oder für Männer die zur Mutter) auszugehen. Wenn da schon etwas (ganz grob gesprochen) nicht gestimmt hat, dann wird jede Partnerbeziehung von derselben oder ähnlichen Konstellation geprägt sein.

 

Wer als Kind zu wenig Liebe bekam, wird oft dieser Liebe auch im Leben vergeblich hinterherlaufen – eben weil man vertrauen will. Die Ernüchterung kommt dann, wenn man realisiert: es ist wieder das alte Muster….

 

Was man tun kann: Nicht vorschnell urteilen und sich einlassen – was in Beziehungen heißt: nicht vorschnell projizieren. Jede Frau hat ein inneres archetypisches Bild vom Mann (Animus), das sie auf den potenziellen Partner projiziert. Das ist völlig normal und gehört zu einer gesunden Beziehung. Schwierig wird es nur, wenn dieses innere Bild so gar nichts mit der Realität zu tun hat, und man dieses innere Bild über die Realität (die man damit ignoriert oder verdrängt, jedenfalls nicht sieht) projiziert – und an der Diskrepanz muss man zwangsläufig scheitern.

 

Was man tun kann: Nicht die eigene Liebe, die man selbst empfindet (und zunächst oft nur die Sehnsucht nach Liebe ist) unreflektiert auf den anderen projizieren. Der andere empfindet anders – wie anders, das muss sich erst herausstellen. Wer liebt, ist versucht, auch da Liebe zu sehen, wo keine ist. Also Zeit lassen, um das herauszufinden.

 

Was man tun kann: Nicht Hals über Kopf sich verlieben – oder (meist ist es nicht zu verhindern) innehalten und sehen was ist, und was nicht ist. Auch bei sich selbst: Ist es Liebe oder ist es die Sehnsucht nach Liebe? Ist es wirklich dieser Mensch oder mehr oder weniger meine Projektion? Was liebe ich an der Person und was liebe ich ganz und gar nicht? Und steht das in Relation? Ein Garten, den ich liebe, kann nicht ein ganzes Jammertal aufwiegen!

 

Und wenn jemand in diesem Jammertal einen miesen Charakter zeigt, dann ist anzunehmen, dass er denselben Charakter auch in diesem Garten, den ich liebe, hat – und wenn der noch so schön blüht – nur dass er da besser getarnt ist und die Täuschung besser funktioniert. Schon weil man sich an die paar Blüten klammert, als wären sie das ganze Leben… Zu spät merkt man mitunter, dass diese wunderschönen Blüten doch nur aus Plastik sind… nicht echt, unlebendig – aber unendlich haltbar….

 

Auch wenn guter Rat zwar nicht teuer, aber immer schwierig ist, weil jede Situation anders ist: Augen offenhalten, auch wenn das Herz überwältigt ist. Und wenn es passiert ist, so bald wie möglich die Handbremse ziehen, um größeren Schaden zu vermeiden. Jedenfalls aber daraus lernen, innehalten, das eigene Beziehungsmuster analysieren. Ist das einmal klar(er) geworden, dann ist die Chance, dass es das nächste Mal anders wird, schon gestiegen….

 

 

Einige der Kommentierenden fügten ihrem Kommentar ein „NIE WIEDER“ hinzu….