· 

Macho, Macho…. Führt moralisches Handeln dazu, dass es einem gut geht?

Neulich eine Diskussion auf Facebook: Moralisches Verhalten führt dazu, dass es einem gut geht… Schön wärs! – schrieb ich dazu. Und am liebsten hätte ich geschrieben: Das Gegenteil ist der Fall!

 

Moral ist kulturell, gesellschaftlich, historisch, kontextabhängig, individuell verschieden. Jede/r lebt in seiner Welt in verschiedenen Kreisen, die nicht zur Deckung zu bringen sind. Was für den einen gut ist, kann für den anderen völlig falsch sein. Wir suchen zwar nach dem richtigen und guten Leben, nach der „Wahrheit“ und Sicherheit, und gestehen uns nicht ein, dass es das nicht gibt. Die Suche nach dem richtigen Weg ist immer ein Holzweg. „Richtig“ für uns kann nur der je eigene, selbstbestimmte, individuelle Weg sein.

 

Wer das Karma-Gesetz als mechanisches Gesetz von Ursache und Wirkung sieht, begibt sich auf das Niveau des Alten Testaments: Aug um Auge! Das war damals ein ethischer Fortschritt, heute ist es Unsinn. Das moralische Gesetz ist ein psychisches Gesetz, das nicht an äußeren Ereignissen und Wirkungen abgelesen werden kann. Grob gesagt geht es nicht um Handlungen, sondern um innere Einstellungen. Sogar die Gerichte fragen nicht nur nach Taten, sondern auch nach Motiven.

 

Man kann Gutes tun und damit größten Schaden anrichten. Eine überfürsorgliche Mutter schädigt damit ihr Kind für sein ganzes Leben. Wer immer nur das tun will, was MAN tut, schädigt sich damit selbst, indem er/sie die eigene Entwicklung unterdrückt. Es geht nie nur darum, das Richtige zu tun, sondern darum, das (für sich) Richtige aus Eigenem zu tun. Und nicht, weil es die Eltern, Erzieher, Lehrer, Gesellschaft, Kirche usw. so vorgeben. Das wäre nach Freud ein Handeln aus dem Über-Ich heraus, das nichts mit dem (bewussten) Ich zu tun hat. Nach Jung wäre es der Vater- und Mutter-Komplex, der uns das ganze Leben lang verfolgt, wenn wir uns ihm nicht irgendwann stellen und bearbeiten.

 

Wenn du etwas tust oder unterlässt, weil man, weil die Gesellschaft, weil die Kirche es so vorgibt, dann ist es grundfalsch – selbst wenn es das Richtige ist!

So kann eine ethische Handlung unethisch sein, wenn sie nicht aus eigener Überzeugung kommt, sondern von außen vorgegeben ist.  

 

Aber zurück zur Einfangsfrage:

Führt moralisches Verhalten zu einem guten Leben?

Jede(r kann beobachten, dass oberflächliche Menschen ein viel sorgenfreieres Leben führen als tiefgründige. Jede(r kann beobachten, dass rücksichtslose Menschen in der Wirtschaft die Karriereleiter emporsteigen und die Rechtschaffenen im Flug ellbogentechnisch überholen. Jede(r kann beobachten, dass Machos, die sich einen feuchten Dreck um die Gefühle ihrer Partnerinnen scheren, die attraktivsten Frauen abbekommen – während die, die eine Beziehung auf Augenhöhe suchen, wie die begossenen Pudel daneben stehen und um ihren Platz in der Welt kämpfen müssen. Die Ehrlichen sind begehrt als „beste Freunde“, aber als Partner sind die Machos aufregender. Die Ehrlichen sind begehrt als interessante Diskussionspartner, während der Macho nicht fragt, sondern sich nimmt, was er braucht. Und die schöne Blonde ist in der Kiste, noch bevor sie „eigentlich…“ sagen kann. Zum Reden bleibt ja noch der „beste Freund“. Sollte es eine Reinkarnation geben, werde ich im nächsten Leben ein solcher Macho!

 

Ethik beginnt dort, wo man es trotzdem tut! Wo man die persönlichkeitsgestörten Machos in die Führungsetagen aufsteigen lässt und sich die ehrliche Weste bewahrt, auch wenn man dann nur einen Bruchteil dessen verdient, was sich die Alphatiere einfach nehmen. Im Gegensatz zu jenen kann man sich aber noch in den Spiegel schauen, ohne zu erblassen. Wo man mit Geduld auf eine Frau wartet, die sich nicht durch oberflächliches Balzen, übergriffiges sich nehmen, was er braucht, von Aufregendem und Gegensätzlichem blenden lässt. Mit der eine Beziehung auf Augenhöhe möglich ist, mit der man nicht im momentanen Taumel versinkt, sondern sich auf eine gemeinsame Entwicklung, auf einen gemeinsamen Weg einlassen kann. Die nicht das schöne Anhängsel seiner Majestät sein will, das an seinem Hals baumelt, und das er weglegt, wenn er den Ruf der Freiheit vernimmt, sondern die ihre eigenständige Persönlichkeit einbringt.

 

Und dann kommt noch etwas hinzu, das die Sache kompliziert: Frauen fühlen meist, wenn auch undeutlich, irgendwie das Ganze, während Männer ganz deutlich fragmentieren und sich selbst oft mit Teilwirklichkeiten abspeisen. Für den Macho kann Sex zum Lebensinhalt werden, während sie ihre ganze Seele auch in den Sex hineinlegt. Er vergöttert ihren Körper, während sie glaubt, dass er sie liebt so wie sie ihn. Dabei ist er gar nicht imstande, sie als Mensch wahrzunehmen.  Jeder lebt in seiner eigenen Welt und kann den anderen gar nicht verstehen. Aber – und so ungerecht ist die Welt – er hat ein schönes Leben und sie leidet wie ein Hund, außer sie verdrängt das Grausame dieser Situation und klammert sich an das restliche Schöne aus seiner Sicht. Jedenfalls, da wo Nähe sein sollte, ist nur ein aneinander Vorbeileben. Er fühlt sich wohl in der Fassade, sie muss sich selbst belügen, sonst würde sie es nicht ertragen. Sie begräbt ihr Menschsein unter dieser, seiner Fassade.

 

Geht es also jenen gut, die richtig handeln?

Schön wär’s! Vielleicht über Generationen, aber so ad hoc ist es oft genau umgekehrt. Ethik beginnt eben da, wo man es trotzdem tut, gegen alle Vernunft. Und nicht, weil MAN es tut, oder die Eltern, Schule, Gesellschaft, Kirche vorgeben, sondern weil man aus eigener innerer Überzeugung handelt. Dann ist es schnurzegal, ob das, was ich für mich für richtig halte, zu einem guten (äußeren) Leben führt, wenn ich nur aus eigener Überzeugung meinen Weg gehe. Dann geht es auch nicht darum, dass es mir gut geht, sondern darum, mich nicht zu verbiegen, sondern authentisch zu sein.

 

Vielleicht will ich doch auch im nächsten Leben kein Macho sein!