· 

Biografie mit Narzissten (Wenn Frauen zu viel lieben….)

Übertragung/Projektion ist ein zentrales und wichtiges Thema, wenn es um Partnerbeziehungen geht, was allerdings viel zu wenig beachtet wird. Schon Erwin Ringel sagte einmal: „Wir leben so, als wäre das Unbewusste nie entdeckt worden.“

 

Wir alle projizieren, das heißt, wir legen unsere Bedeutungen über die Außenwelt drüber. In Partnerbeziehungen bedeutet das, dass wir unser Inneres auf den Partner, die Partnerin projizieren. In der Sprache C.G. Jungs: Männer sehen in der Partnerin ihre Anima, Frauen in ihrem Partner ihren Animus. Unser Unbewusstes ist gegengeschlechtlich. Durch die Projektion sehen wir unser Inneres im Äußeren. Durch die Partner/innen können wir unser eigenes Inneres besser verstehen lernen.

 

Nun geht es aber nicht darum, die Projektion zurückzunehmen, sondern bewusst zu machen und für die Beziehung zu nutzen. Es gibt keine Beziehung ohne Projektion. Diese ist die Chance, meinem Inneren näherzukommen als ich es ohne Projektion könnte. Es kommt in einer Beziehung nur darauf an, dass Projektion (Anima/us) nicht allzu weit weg ist vom Partner. Ist die Differenz zu groß, ist eine gelingende Beziehung kaum möglich.

 

Identisch dürfen sie auch nicht sein, das wäre zu viel Harmonie und Stillstand. Im Idealzustand sind Projektion (Anima/us) und Realität nahe, dann kann ich vieles von meinem Inneren im Außen erkennen und daran arbeiten. Umgekehrt wird meine Partnerin durch meinen liebenden Blick dazu animiert, in die höhere Oktave meiner Anima hineinzuwachsen. Das heißt im Idealfall: Wir wachsen und entwickeln uns mittels Projektion beide.

Die Wurzel unserer Beziehungen

Die erste Anima-Beziehung eines Mannes ist die Mutter, die erste Animus-Beziehung einer Frau ist ihr Vater. Spätere Liebesbeziehungen werden immer mehr oder weniger durch diese ersten Erfahrungen geprägt sein. Die Partner werden ähnlich sein oder das Gegenteil – beides ist Abhängigkeit.

 

Da öfter von Männern die Rede ist, nehmen wir das Beispiel einer Frau, die – um es kompliziert zu machen – als Kleinkind vom Vater vergöttert, und dann ab einem bestimmten Alter ständig heruntergemacht wurde. Die längeren Beziehungen der Frau sind von diesem Muster geprägt: teils „Vergötterung“ (auf verschiedenen Ebenen), teils Abwertung bis hinein in wüste Beschimpfungen oder Handgreiflichkeiten.

 

Ausgehen müssen wir von der Ambivalenz des Vaters, für den das Mädchen zuerst die kleine Prinzessin war, und dann etwas, mit dem er nicht klargekommen ist. Der Blick auf die Tochter ist zunehmend sexuell gefärbt, und das darf und kann er sich nicht eingestehen. Er verdrängt seine diesbezüglichen Gefühle. Das Verdrängte tritt aber meist in anderer Form umso stärker zutage. In diesem Fall durch ständiges Niedermachen. Er hält sich die reizvolle Tochter durch Aggression vom Leib, wandelt die tabuisierten Gefühle in Aggression um. Nehmen wir weiters an, dass sich der Vater früh hat scheiden lassen, sodass er damit aus dem Blickfeld des Kindes verschwunden ist.

 

Der Animus dieser Frau war daher zunächst nur rudimentär vorhanden und konnte sich nicht weiterentwickeln. Und er war gespalten zwischen Vergötterung und Abwertung, die zwei Pole des rein Männlichen in seiner toxischen Form. Plakativ könnte man sagen, dass die reine Männlichkeit zwischen Kopf und Schwanz oszilliert. (Man verzeihe mir den in diesem Fall passenden Ausdruck). Die Mitte, das Herz, müsste ein Mann durch in sich Hineinhören und von der Partnerin lernen. Sie und ihr weibliches Herz wäre dann auch das Verbindende, das die beiden Enden seiner Männlichkeit integriert und ihm auch die seelische Mitte nahebringt. Gelingt das nicht, wird er weiterhin fragmentieren und die Partnerin(nen) immer entweder als Huren oder als Göttinnen sehen.

 

Jedenfalls war der Animus dieser Frau gespalten, weil das Verbindende, das normalerweise in der Kindheit auch vom Vater als die (mehr weibliche und asexuelle) Vaterliebe kommt, ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr da war, weil sie sich durch seine aufkeimenden verbotenen Gefühle in Aggression verwandelten.. Und dann ist der Vater auch noch aus ihrem Leben ganz verschwunden.

Dann kommen die tastenden Versuche der ersten Liebe(n), bei denen das Beziehungsmuster noch nicht so deutlich wird, weil es noch durch Romantik, Neugierde usw. verdeckt ist. Dann ein paar Kurzbeziehungen, bei denen ihr klar wird, dass Männer „immer nur Sex wollen“. Sie stürzt in eine Krise, weil die Männer ihre Sehnsucht nach seelischer, verbindender Nähe, die sie nach der Prinzessinnen-Phase vom Vater nie erfahren hat, auch nicht erfüllen konnten. Sie bringt ihre innere Leere mit in ihre Beziehungen – und trifft auf Männer, denen das, was sie ersehnt, gänzlich fehlt.

 

Begegnung mit dem Huren- und Heiligen-Komplex

Da der Vater sehr früh aus ihrem Leben verschwunden ist und ein Vakuum (auch was ihren Animus betrifft) hinterlassen hat, muss die Frau in ihren Beziehungen das ihr fremde Männliche erst wieder zulassen lernen. Da die Zuneigung des Vaters in sich gespalten war, könnte es sein, dass sie in der folgenden ersten längeren Beziehung/Ehe einen Animus erlebt, in dem der geistige Aspekt im Vordergrund steht, mit einem Mann, der sie zur Göttin macht, der aber alles Irdische ablehnt und damit den Himmel nicht auf die Erde bringt, der er eigentlich entkommen will. Er verehrt in ihr die Göttin (die höhere Oktave seiner Anima), kann sie aber nicht als Mensch mit Fleisch und Blut sehen. Er versucht, alles Irdische zu „sublimieren“. Es wird eine Ehe ohne Intimität. Da das aber eher ein Verdrängen ist und das Verdrängte immer wieder vehement in Aggressionen und am Ende sogar in Handgreiflichkeiten zutage tritt, muss diese Beziehung letztlich daran scheitern.

 

Unmittelbar darauf stürzt sie sich in eine neue Beziehung, in der sie das andere Extrem, den unteren Aspekt des Animus, das mehr Körperliche in den Vordergrund rückt, mit einem Mann, der nur diesen Aspekt seiner Anima kennt. Er triggert damit genau ihre innere Leere, das was ihr in ihrem bisherigen Leben gefehlt hat. Sie lernt, in welche Höhen Intimität führen kann, aber es ist eine mechanische Intimität, die hochfliegende seelische Qualität muss sie selbst beisteuern, was ihr aber nicht bewusst ist. Er liebt ihre Schönheit, mit dem Seelischen oder Geistigen hat er nichts am Hut. Dadurch instrumentalisiert er die Frauen und nützt sie in Macho-Manier nur aus. Er ist herrisch und verträgt keinen Widerspruch, weil seiner Meinung nach nur er weiß, was ihr guttut. Ihren eigenen Bedürfnissen begegnet er mit Aggression, wüsten und ordinären Beschimpfungen. Sie kittet die Beziehung immer wieder durch ihre Liebe, die alle Entgleisungen entschuldigt. Und daran scheitert letztlich die Beziehung – als ihr bewusst wird, dass da von seelischer Nähe keine Rede sein kann. Das war aber ein langer Prozess, weil man von einem Narzissten nie weiß, was echt und was Theater ist. Narzissten sind beziehungsunfähig und empathielos, können aber als geborene Schauspieler ihre nicht vorhandene Liebe perfekt vorspielen.

Damit hätte die Frau die beiden Enden des Animus – die geistige und die körperliche Seite – integriert.

 

Die fehlende seelische Mitte

Was in beiden Beziehungen fehlt, wäre die Mitte, das Herz. Die verbindende seelische Komponente kommt in beiden Beziehungen zu kurz. Beide müssen scheitern – aber erst nach längerer Zeit. Und damit sind wir wieder bei der Übertragung oder Projektion. Die Frau ergänzt die jeweils extrem einseitigen Beziehungen durch ihre eigene seelische Mitte, sie projiziert ihr eigenes Seelisches auf den Partner, was die Beziehung ergänzt und zusammenhält. Mit einem Wort, sie projiziert nicht nur die beiden Enden des Animus, sondern auch ihre eigene seelische Mitte, das zentrale Fehlende. Tragisch ist, dass sie dadurch nicht sehen kann, dass das von ihr kommt und beim Partner jeweils gänzlich fehlt.

 

Daran müssen diese Beziehungen früher oder später scheitern, das geht gar nicht anders. Frauen halten leider oft mit ihrem Herzen eine seelenlose Beziehung zusammen, was darin endet, dass die Männer alle Grenzen überschreiten und auf ihrem Herzen herumtrampeln. Frauen entschuldigen da viel zu viel – wegen Krankheit, wegen Problemen, wegen Impulsivität usw. Außenstehende wundern sich dann, wie so seelenvolle Frauen mit so brutalen Männern zusammen sein können… Das liegt auch daran, dass sie Wutausbrüche, Beflegelungen und Ausnützen immer wieder entschuldigt und so eine unendlich hohe Toleranzschwelle entwickelt hat. Diese ist so hoch, dass ein Mann beinahe alles mit ihr machen kann, ohne fürchten zu müssen, dass er sie verliert.

 

Was sich hier ganz deutlich aufdrängt ist, dass die Frau die beiden Extreme der Männlichkeit (einseitige „Spiritualität“ und bloße Körperlichkeit) erlebt hat, und dass das Herz immer von ihr beigesteuert werden musste. Damit ist in der Beziehung die (seelische) Mitte immer nur als Vakuum aufgeschienen. Diese Leere musste immer durch ihre eigenen Gefühle „aufgefüllt“ werden, was ihr nicht bewusst ist, denn sie projiziert diese Gefühle auf den jeweiligen Partner. Daher dauert es, bis sie bemerkt, dass da von der anderen Seite eigentlich nichts kommt.  

 

Der Weg aus dem Beziehungsmuster

Nehmen wir weiter an, dass nach zwei so einseitigen Beziehungen der Bedarf an seelenlosen und beziehungsunfähigen Machos (die irgendwo zwischen Kindheit und Pubertät steckengeblieben sind) gedeckt ist und die Frau um nichts in der Welt in dieses Muster zurückfallen will. Was nicht einfach, sondern ein langer, frustrierende Prozess der Trauer und der Neuorientierung ist.

 

Es ist sonnenklar, wenn eine Frau die Männlichkeit so aufgespalten erfahren hat, dass dann eine mögliche neue Beziehung nur vom bisher Fehlenden, dem seelischen Aspekt ausgehen kann. Das wird aber schwierig. Erstens ist das eine Welt, die sie noch nicht kennt – und was man nicht kennt, davor hat man Angst. Eine Welt, in der man streichelt, küsst, kuschelt – auch ohne Sex. Einfach als Ausdruck des Seelischen. Sie kennt aber nur Körperfeindlichkeit und Körperüberbetonung. In der „spirituellen“ Ehe waren Berührungen verpönt, und in der körperbetonten Ehe führte jede leichte Berührung direkt zum Sex.

 

Das rein Seelische ist für sie ungewohnt, sie hat das ja nie erlebt, nicht gelernt. Also kann sie es jetzt nicht zulassen. Das wäre auch kein Problem, könnte sie einfach offen sein. Das ist sie natürlich schon deshalb nicht, weil sie sich als Gefühlsmensch trotz aller Aggression und Absurdität noch an die zerbrochene Beziehung innerlich gebunden fühlt. Soweit wäre das verständlich. Trotzdem sie noch die ordinärsten Schimpfworte, Erniedrigungen und Beleidigungen im Ohr hat, ist sie immer noch im Modus des Entschuldigens und Verzeihens. Einem Außenstehenden erscheint das nahezu grotesk. Sie müsste sich unter Schmerzen und Trauer verabschieden, auch wenn das ein langer Prozess ist.

 

Sie müsste sich fragen, ob das jemals Liebe war? Und zwar nicht nur von seiner Seite, sondern auch von ihrer. Was ist es wirklich, das sie geliebt hat? Die paar schönen Momente können es nicht sein, denn die wiegen die Erniedrigung nicht auf. Also was war es dann? Oder musste sie sich die Liebe einreden, um das überhaupt auszuhalten? War das, was sie als Liebe gefühlt hat, nur ihre eigene Projektion? Das zu beantworten ist wichtig, aber insofern schwierig, weil es nur das Äußere betrifft, das es gilt zu verstehen. Aber dahinter steht eine Liebe, die einfach da ist, die nicht argumentierbar und nicht erklärbar ist. Diese kann auch eine Beziehung aufrechterhalten, die keine Beziehung ist.

 

In endlosen Gesprächen analysiert sie die Vergangenheit, es wird ihr vieles klar, und langsam zeichnet sich das Beziehungsmuster ab. Das Zusammenspiel von Innen- und Außensicht ist sehr fruchtbar. Es wird von Tag zu Tag – mit immer weniger Rückfällen – besser und besser. Vieles, was in Beziehungen von innen gewohnt und wie „selbstverständlich“ erscheint, ist von außen betrachtet völlig unverständlich. Andererseits ist vieles von außen leichter zu verstehen und offensichtlich. Was jetzt über sie hereinbricht, ist ein einziges „Ich versteh es nicht!“ Es ist viel mehr als das „die schönsten Frauen haben oft die hässlichsten/brutalsten Männer“ – da ist der Blick von außen ohnehin machtlos und überflüssig. Das lässt sich durch die Übertragung/Projektion einigermaßen erklären – wenn schon nicht verstehen. Umso mehr von außen – da bleibt nur ein „Wie kann man solche Machos lieben?“ Aber ganz innerlich geht es um die Liebe und nicht um das Erklärbare.

 

Ein Narzisst ist noch dazu der geborene Schauspieler, der spielt seiner Partnerin alles vor und weiß genau um ihre Schwächen und um ihre Toleranzgrenzen (die kaum vorhanden waren) und nützt diese schamlos und berechnend aus. Nehmen wir wieder an, er wird sich langsam der Grenzen bewusst, die er überschritten hat, und will seine Partnerin unter allen Umständen zurückerobern. Dann ist bei einem Narzissten eher naheliegend, dass er weitermacht wie bisher – nur mit ein wenig engeren Grenzen. Er weiß jetzt, so weit kann ich nicht mehr gehen, wenn ich zurück will. Also spielt er in engeren Grenzen weiter. Auf der anderen Seite muss sie sich der Gefahr des wieder genauso getriggert Werdens bewusst bleiben. Wenn sie ihn wieder trifft, wird er den gewandelten Liebhaber spielen. Das wäre ja schön, wenn es so wäre. Bei einem Narzissten weiß man aber nie, was echt und was gespielt ist. Und er selbst ist so in seiner Rolle, dass er gar nicht anders kann als zu spielen.

 

Das Wagnis eines Neubeginns

Für den anderen Fall, dass sie aus ihrem alten Muster heraus will, muss sie die Vergangenheit langsam abschließen und nicht darauf warten, bis sie alles versteht. Es ist vieles erklärbar, aber es ist unmöglich, alles zu verstehen. Das kann man nicht. Es geht vielmehr darum, vieles einfach stehenzulassen und zu verabschieden. Das Verarbeiten unendlich hinauszuschieben ist sinnlos. Irgendwann muss man wieder nach vorne schauen. Natürlich überlappen sich diese beiden Phasen. Das nach vorne Schauen muss aber immer mehr in den Vordergrund rücken. Dann kann das alte Muster langsam in den Hintergrund treten.

 

Nach diesen zwei extremen Beziehungen wäre die Frage: Will sie dieses ganz andere? Sie hat dabei den Vorteil, dass das Seelische immer in ihr war. Sie hat es nur im Außen nie gefunden und nie ausleben dürfen. So ist es jetzt schwer vorstellbar, dass man auch das konkret leben kann.

Aber das eigentliche Problem ist das alte Muster, aus dem sie noch nicht wirklich draußen ist. Die Bindung an das „geliebte Monster“ ist noch immer vorhanden. Und die Anziehung, wieder da zurückzufallen, ist groß. Wenn sie da raus will in ein ganz anderes Muster, das ihr das bringen kann, was bisher gefehlt hat, dann muss das eine rationale Entscheidung sein. Das Herz kann da nicht mitreden, weil es das Neue nicht kennt und immer noch am Alten hängt. Außerdem wird heute „Herz“ meist mit „Bauch“ verwechselt. Womit nicht das Verbindende, sondern das Unbewusste gemeint ist. Und dieses Unbewusste ist immer ambivalent ist. Die Frage ist also, kann sich das Herz mit dem Bauch verbinden und sich auf das Fehlende und eine ganz andere Zukunft einstellen? Es wäre dann vielleicht geborgen und zuhause – und müsste nicht immer das Schöne mit dem Hässlichen verbinden…

 

Was bedeutet Harmonie?

Sie hat die unbewusste Disharmonie ihres Vaters internalisiert. Aber ihr Herz sehnt sich nach Harmonie. Die war aber konkret nicht lebbar, daher hat sie diese Harmonie aus sich heraus projiziert und selbst noch die Brutalität mit dem Herzen sehen wollen. Und jetzt kann sie sich gar nicht mehr vorstellen, dass eine seelische Harmonie auch in einer konkreten Beziehung möglich ist.

 

Wo sie recht hat: Konkrete Harmonie ist nicht gut möglich, wäre auch gar nicht gut, weil das Stillstand bedeuten würde. Aber so große Disharmonie, wie sie in ihren Beziehungen gelebt hat, ist einfach nur toxisch. Das ging nur mit sehr viel Liebe. Projektion ist in jeder Beziehung immer dabei, sie ist auch gut und notwendig – aber das Außen muss zumindest ähnlich sein, wenn es „funktionieren“ soll. Und wenn nicht, dann muss man zusammenwachsen. Das war aber nicht…

 

Eine Beziehung kann nur „funktionieren“, wenn Projektion und Realität nicht zu weit auseinanderklaffen, wenn Gemeinsamkeiten da sind, auf die man eine gemeinsame Welt aufbauen kann, aber auch Gegensätze, die für die notwendig Spannung sorgen. Mit diesen umzugehen ist die Kunst einer Beziehung. Wo es verschiedene Standpunkte gibt, aufeinander zugehen, und wo man sieht, das ist dem anderen so wichtig, dass ein Kompromiss nicht möglich ist, ihn so sein lassen.

Wenn man das alte Muster retten will, dann müsste es ein Zusammenwachsen sein. Ob das noch geht, und ob das mit dieser gescheiterten Vergangenheit im Rücken überhaupt möglich ist, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass dabei das Herz wieder unter die Räder kommt….

 

Sinnvoller und vielversprechender wäre es, einen neuen Weg zu gehen. Das Neue zu leben, das ihr das bisher Fehlende nahebringt und das die beiden extremeren Enden des Animus verbinden kann. Dazu müsste sie aber offen sein. Dazu müsste sie die noch bestehende Bindung loslassen und vielmehr dem Herzen vertrauen, und einen zwar ungewissen, aber neuen Weg gehen. Unabhängig davon, mit wem sie das versucht.

Was ihr dabei hilft: Sie ist ein seelenvoller Mensch, der Schwerpunkt in ihrer Biografie war immer die Liebe – daher musste sie die beiden Extreme des Animus kennenlernen und integrieren, auch wenn das zum Teil eine bittere Erfahrung war. Die Tragik dabei war, dass sie dabei ihre Mitte verloren hat. Aber auf die kann sie sich jetzt (wieder) besinnen, so dass sie auch im Außen an sie herantreten kann…

 

Ist Beziehung heute überhaupt noch möglich?

Ihr Resümee ist: Sie muss auf gescheiterte Beziehungen zurückblicken; zwei Ehen, die einerseits völlig konträr, andererseits erschreckend ähnlich sind – und die ein Muster offenbaren, das auf ihre Beziehung zum Vater zurückgeht. Kann man so ein Muster überwinden? Ist ein erfülltes Leben in einer Beziehung möglich? Dass es im Augenblick fast unmöglich erscheint, steht wie eine Mauer vor einer neuen Erfahrung… Aber das Beziehungsmuster ist ihr nach und nach bewusst geworden – ein schmerzhafter Prozess der Ablösung. Es ist zu hoffen, dass sie langsam Abstand gewinnt und Neues zulassen kann.

 

Jedenfalls muss es jemand sein, der Einfühlungsvermögen hat, der sie schätzt so wie sie ist, der sie in ihrem So-Sein nicht runtermacht, sondern fördert, der sie nicht verwendet und instrumentalisiert, sondern liebt. Der ihr Freiraum lässt und sich auch freut, wenn sie etwas für sich macht. Der sie sieht in allen Lebenslagen und auch sieht, was sie alles für die Beziehung tut. Für den alles, auch die kleinsten Kleinigkeiten, etwas Gemeinsamens ist. Der sie als Göttin verehrt und auch als Mensch schätzt und begehrt. Der ihr Herz Himmel und Erde verbinden lässt und durch sie seine eigene männlich fragmentierte Sicht verbinden kann. Der keine Machtspiele braucht, weil für das liebende Herz selbst im Spielerischen die Augenhöhe nie verloren geht. Der wissen will, was für sie schön ist und versucht, es gemeinsam mit ihr zu leben. Der ihre Liebe annehmen kann, und der sie liebt. Der sie im Herzen trägt und an sie denkt, wo immer er ist. Dem sie vertrauen kann, und der ihr vertraut. Der nicht neben, sondern mit ihr einschlafen und aufwachen will. Der sie in die Arme nimmt, wenn sie traurig ist, und nicht nur dann. Der mit ihr lachen und weinen, philosophieren und blödeln kann. Der sich freut, dass sie da ist. Der mit ihr in die Liebe hineinwachsen will….

Der mit ihr leben will in einer Form, die sich unterwegs ergibt aus den Bedürfnissen beider.