Meine Sicht auf den Feminismus

Wie kann ein Mann über den Feminismus schreiben? Kann er doch gar nicht verstehen! Stimmt natürlich bis zu einem gewissen Grad. Aber der Feminismus – um den es in letzter Zeit ruhig geworden ist, was ich bedauerlich finde – tritt anscheinend in eine neue Phase. Nachdem gewisse menschliche Rechte mit mehr oder weniger Erfolg gegen das Patriarchat erkämpft wurden, wäre es an der Zeit und ist es vielleicht auch schon, dass eine neue Phase eingeläutet wird, und aus dem (männlichen) Kampf um Frauenrechte (auch Frauen können und sollen ihre männlichen Eigenschaften aktivieren) eine gemeinsame Entwicklung in Richtung Gleichberechtigung wird.

 

Ich denke, dass die Frauen durch ihren langjährigen Kampf so weit wären. Ob es die Männer auch sind, ist die Frage. Der Feminismus hat den Männern nicht nur einen Spiegel vorgehalten, sondern sie auch auf ihre eigenen Schwächen und ihre eigenen – allerdings selbstverschuldete – Unterdrückung aufmerksam gemacht. Männer haben ihre weibliche Seite entdeckt, sie haben sich anhimmeln lassen und sind zu Softies geworden. Was genauso einseitig ist wie die „männliche Emanze“ in den Vorstandsetagen. Beides hat nichts mit Feminismus und erst recht nichts mit Gleichberechtigung zu tun.

 

Ich habe versucht, das Patriarchat psychologisch und symbolisch zu erklären, basierend auf dem allgegenwärtigen männlichen Objektdenken, das seinen Höhepunkt in der klassischen Physik hatte, deren männliches Denken uns noch heute prägt. Und solange wir das nicht ändern, wird sich im täglichen Leben so gut wie gar nichts ändern. Diesem männlichen Objektdenken steht ein weibliches Beziehungsdenken gegenüber. Wohlgemerkt, ich rede da (noch) nicht von Mann und Frau, sondern von Psychologie und Symbolik. Eine Sprache, die wir längst vergessen und noch nicht (wieder) gelernt haben.

 

Denn genauso wie die Quantenphysik ist die Tiefenpsychologie noch nicht in ein allgemeines Weltbild eingegangen. Vor allem die Analytische Psychologie von C.G. Jung spricht vom symbolisch Männlichen und Weiblichen (Anima/us), und in der Quantenphysik tritt dasselbe überdeutlich als Teilchen- und Wellensicht zutage. In der Quantenphysik kommt damit das weibliche Beziehungsdenken wieder zurück in die männlich dominierte Physik. Daher habe ich an anderer Stelle prognostiziert, dass die Zukunft der Physik weiblich sein wird.

 

Aber so wie es weder in der Physik, noch in der Psychologie darum geht, das patriarchale männliche Denken durch ein matriarchales weibliches zu ersetzen, sondern das eine mit dem anderen zu ergänzen, so kann es im Feminismus nicht um ein Matriarchat gehen, sondern um Gleichberechtigung und Beziehung auf Augenhöhe. Es ist ja interessant, dass das Wellenbild in der Quantenphysik eigentlich das Bild des Feldes ist, das beides enthält: die theoretisch unendliche Ausdehnung („Welle“) und die lokale Konzentration („Teilchen“). Die weibliche Wellensicht ist Beziehung. Im Doppelspaltversuch treffen die „Teilchen“ (das „Männliche“) ungehindert auf die Fotoplatte und bilden ein wellenartiges (weibliches Beziehungs-) Interferenzmuster. Durch die Messung (= Wechselwirkung, Aggression, Herangehen) kommt es zum Kollaps der Wellenfunktion oder Dekohärenz, und es „entstehen“ die Teilchen. Das Teilchenartige isoliert sich vom Feld. Das Objektdenken ist die männliche Sicht, bei der das Ganze der Wirklichkeit verloren geht.

 

Anders gesagt: Das Weibliche schließt das Männliche ein, das Männliche isoliert sich vom Weiblichen. Das Weibliche will Beziehung, das Männliche will sich isolieren und behaupten. Die weibliche ist eine ganzheitliche Sicht, die männliche eine fragmentierende und fragmentarische. Der (männliche) Verstand, die Logik muss trennen, sprich begrenzen, definieren. Das (weibliche) Gefühl ist ohne Grenze und will immer verbinden. (Zur Vorsicht noch einmal: Ich rede da von Symbolik und nicht von Mann und Frau, die jeweils Männliches und Weibliches in sich vereinen).

Daher geht es in der männlichen Welt um sich Behaupten, Abgrenzen, Konkurrenz und Bekämpfen. Im Extrem (das heißt völlig isoliert vom Weiblichen) führt das zu Krieg und Terrorismus. Aber auch im „normalen“ Leben ist ein einseitig männliches Macho-Sein nichts (weiblich) Verbindendes, sondern sich Aufplustern, Produzieren, Objektivieren, Jagen, Erobern…

 

Psychologisch und symbolisch kann der Feminismus nur eines anstreben: nämlich Gleichberechtigung und Beziehung auf Augenhöhe. Das allerdings geht nicht als Kampf um etwas oder gegen etwas (das war allerdings die erste und notwendige Phase), sondern nur gemeinsam. Erst wenn die Männer ihre weibliche Seite in sich entdecken und entwickeln, und umgekehrt die Frauen ihre männliche Seite, wird die schiefe Ebene des Patriarchats nicht anders herum schief, sondern ausgewogen gerade. Dabei dürfen Männer nicht bloß ins Gegenteil verfallen und zu Softies werden, die keine Frau wirklich wollen kann, sondern sie müssen zu richtigen Männern werden. Machos sind keine „richtigen Männer“, sondern armselige Karikaturen von „Männern“. So wie die – zugegeben erfolgreiche – Karrierefrau in den Vorstandsetagen im Nadelstreif bloß eine Karikatur von Frau ist, die sich an die männlich-patriarchale pubertäre Marktwirtschaft verkauft hat, statt den verspielten Jungs zu zeigen, was wirklich weiblich und damit auch menschlich wäre.

 

 

Und noch etwas: Eine solche gleichberechtigte Beziehung auf Augenhöhe ist kein Zustand, sondern müsste in einer gemeinsamen Entwicklung angestrebt werden. Der Mensch ist ein soziales Wesen und isoliert kann er gar nichts. Beziehungen sind letztlich dazu da, in sich ganz zu werden. Dazu muss der gegengeschlechtliche Part in sich entdeckt und integriert werden. Das geht nur aneinander, aber damit wächst man über sich hinaus in eine größere Ganzheit.