Natürlich hat das Thema viele Facetten. Eine ist die unheilvolle Verschmelzung von Gewalt und Sexualisierung. Eine andere ist die ebenso unheilvolle Verschmelzung von Patriarchat und Religion.
These 4: Das Patriarchat lebt wie der Macho vom Verdrängen der Angst vor dem Weiblichen.
These 5: Das Patriarchat erhält seine Energie aus der Sexualisierung und seine Legitimation aus der religiösen Überhöhung.
Ad 4:
Dem ganzen Machogehabe des Patriarchats liegt eines zugrunde: die panische Angst vor dem unbekannten, weil verdrängten Weiblichen. Und Angst paart sich bekanntlich (aus vermeintlichem Selbstschutz) mit Aggression (im negativen Sinne) und Brutalität.
So wie derjenige, der keine Ahnung von dem Fremden in sich hat, es verdrängen muss und umso mehr Angst vor dem Fremden in der Welt hat, so hat der Macho panische Angst vor dem in sich verdrängten Weiblichen. Uneingestandene Angst kippt in Aggression. Daher macht er Jagd auf Frauen, muss sie erobern, flachlegen, zum Schuss kommen. Er kann Frauen nur als Beute betrachten, nicht als geliebte Wesen. Liebe wäre für ihn wie eine Niederlage. Da wäre er, der ach so Starke, schwach geworden, und das kann und soll doch nicht sein! Tatsächlich ist aber seine nach außen gezeigte Stärke nichts als Schwäche. Der Macho hat Angst vor der Liebe.
Das uralte mythische Motiv des Kampfes mit dem Drachen hat auch darin seinen Ursprung. Wenngleich Mythen natürlich vielschichtig sind, und auch dieses Motiv noch viel mehr bedeuten kann.
Ad 5:
In der Gesellschaft gibt sich das Patriarchat durch die religiöse Überhöhung seine unanzweifelbare Legitimation. Mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion durch Kaiser Konstantin wurde eine Fehlentwicklung auf alle Zeit legitimiert. (Allerdings wäre es ohne diese Erhebung zur Staatsreligion bei der jüdischen Sekte geblieben).
Der Mann als Krieger wird durch den Kampf mit dem Drachen zum König. Aufgabe des Königs ist es fortan, das Land, die Welt (das von ihm Geordnete) gegen das Chaos (die restliche Welt) zu verteidigen. Es ist die Verteidigung des Bewussten gegen alles Unbewusste. Und das führt geradewegs in die Hybris des rationalen Bewusstseins!
Eine andere, tiefere Ebene dieses Mythos ist es, sich dem Unbewussten zu stellen, also nicht Verdrängung, sondern Integration.
Aufgabe beim Erwachsenwerden des Mannes wäre es, die Welt (die noch Bewusstes und Unbewusstes gleichermaßen enthält) zu ordnen und aus Grenzen Übergänge zu machen. Eine verfehlte Entwicklung wäre die Fragmentierung und Fixierung auf einen (bewussten) Anteil, und Ausgrenzung und Bekämpfung alles anderen und Fremden. Dies wäre die Grundlage des Krieges. Im Fragmentieren besteht auch unser ach so modernes Weltbild, das noch immer auf die Physik des 19. Jahrhunderts fixiert ist.
Des weiteren wäre Aufgabe des Mannes beim Erwachsenwerden das Bringen von Fruchtbarkeit und Segen. Damit ist nicht (nur) die Fortpflanzung gemeint, sondern die Bewusstwerdung und das Schaffen von Bewusstheit und Lebendigem. Kurz und prägnant schreibt es Nietzsche im Zarathustra: „Nicht nur fort sollst du dich pflanzen, sondern hinauf!“ Der Mann, der das Weibliche in sich (die Anima) integriert, der schafft auch in sich etwas Neues, die Ganzheit seiner Psyche, die Jung Selbst nennt – symbolisiert in allen Kulturen durch das göttliche Kind.
Im Übergang vom Mythos zum Logos werden die alten Bilder einerseits bewusst, andererseits rationalisiert, und damit als Symbole einer inneren Welt vergessen. Sie werden auf die Außenwelt projiziert. So werden die Caesaren Roms als „Götter“ verehrt, und das „Göttliche“ wird zur Legitimation des Königs oder Kaisers. Parallel wird der Papst zum Stellvertreter Gottes auf Erden (ein vorher absurder Gedanke), so dass hinfort alles sich päpstlich legitimieren lässt, bis hin zum Huren und Morden. Der Papst wird zum religiös legitimierten Obermacho – bis irgendwann sogar seine Unfehlbarkeit dogmatisch festgeschrieben wird.
Jeder Krieg kann damit weltlich als legitimer„Drachenkampf“ hingestellt und geistlich durch Waffensegnung legitimiert werden. So wird ein innerseelischer Vorgang von beiden Seiten pervertiert. Und auf beiden Seiten geht es um die Verdrängung des Weiblichen, Verbindenden, Beziehung Schaffenden, Kreativen – bis hin zu dessen Bekämpfung.